Weichzeichner in der Astrofotografie


Haar der Berenike (links) und Saturn im Löwen (rechts)
Haar der Berenike (links) und Saturn im Löwen (rechts), aufgenommen mit einem Diffusor im Bregenzerwald

 

 

Artikel aus "Sterne und Weltraum" 5/2000

von Sebastian Voltmer


Auf Astrofotos sind meist mehr Objekte und Einzelheiten zu erkennen, als dies bei einem Blick zum Himmel mit oder ohne Teleskop möglich ist. Durch die sog. Deep-Sky-Fotografie versucht man, bestimmte Details oder Objekte sichtbar zu machen, die dem Auge sonst nicht ohne weiteres zugänglich wären. Dabei kann der Fotograf ganz unterschiedliche Zwecke verfolgen. So kann es darum gehen, ferne Nebel abzubilden und die Sterne dabei nicht zu dominant erscheinen zu lassen, indem man etwa hochauflösende Optiken verwendet, die die Sterne sehr fein abbilden. Oder es kann darum gehen, ganze Sternkomplexe hellerer Sterne gegenüber lichtschwächeren hervorzuheben. Die Darstellungsweise kann die Aufmerksamkeit des Betrachters auf bestimmte Bildaussagen lenken.

Was in der künstlerischen Fotografie meist selbstverständlich ist, nämlich die Aussagekraft eines Bildes zu steigern, wird in der Astrofotografie häufig nicht bewusst als Ziel verfolgt. Es müsste bedacht werden, was man eigentlich auf fotografischem Wege sichtbar machen möchte. Davon kann abhängen, zu welcher Aufnahme- und Entwicklungstechnik man greifen sollte. Dass dabei Erfahrungen aus der künstlerischen Fotografie von Nutzen sein können, hat sich mir durch meine Experimente mit der Weichzeichnung gezeigt.

Normalerweise lassen sich astronomische Objekte durch Steigern der Belichtungsdauer intensiver abbilden, soweit die Atmosphäre nicht zu sehr durch irgendwelche Lichtquellen aufgehellt ist. Die verschieden hellen Sterne, mit Ausnahme der schwächsten, werden dabei jedoch überbelichtet. Dadurch gehen die Helligkeitsunterschiede und Farben der Sterne weitgehend verloren, da das stärkste Leuchten - im Hinblick auf das Positiv – lediglich weiß dargestellt wird; die meisten Sterne werden durch die Ausbelichtung zu weißen Pünktchen.

Wie könnte man jedoch die unterschiedlichen Helligkeiten und Farben der Sterne besser sichtbar machen? Einige wenige Astrofotografen bemühen sich um die Lösung dieses Problems (Bestes Beispiel: Eckhard Slawik, der mit Uwe Reichert zusammen den Atlas der Sternbilder herausgegeben hat). Bei der Darstellung von Sternbildern wäre eine solch differenzierte Abbildung der Sterne wünschenswert. So könnten die Fotografien des Sternhimmels dem Eindruck und Erleben unter freiem Himmel gerechter werden. Weil ich mit manchen Fotos dieses Ziel verfolgte, ließ ich mir etwas durch den Kopf gehen: In der Astrofotografie werden üblicherweise hochauflösende Optiken bevorzugt, um die Sterne besonders fein abzubilden. Doch das muss bei Sternbildaufnahmen nicht immer das Ziel sein. Durch verschieden große Sternenscheibchen, unterschiedlich helle und große Säume um die Sterne, ließen sich möglicherweise erlebnisgerechtere Effekte erzielen.

In der künstlerischen Fotografie werden Verfahren der sog. Weichzeichnung zuweilen eingesetzt, um beispielsweise besondere Stimmungen in der Landschaftsfotografie zum Ausdruck zu bringen. Oder es können bei Porträtaufnahmen kleinere Falten ausgeglichen oder insgesamt ein weicherer Eindruck erreicht werden. Prinzipiell verwischen die Kontraste durch Anwenden der Weichzeichnung. Das kann man sich in der Astrofotografie zur Erzielung bestimmter Effekte zunutze machen. So kann die unmittelbare Umgebung hellerer Sterne durch die Weichzeichnung markant aufgehellt werden, indem das Licht der Himmelsobjekte gestreut wird. Dadurch entwickeln diese einen Saum in ihren betreffenden Farben. Bei den helleren Sternen ist dieser Effekt natürlich deutlicher, was Sinn und Zweck dieser Vorgehensweise ausmacht.

Es gibt verschiedene Verfahren der Weichzeichnung. Zum einen entsteht sie durch den Einsatz von Weichzeichnungs-Filtern; solch ein Filter besteht aus einer transparenten Platte mit einer bestimmten Körnung bzw. gewissen Verformungen; diese wird vor dem Objektiv befestigt. Weichzeichnung kann auch durch die Technik der Schärfenverlagerung (Fokusänderung) erreicht werden. Bei diesem Verfahren wird die Fokuseinstellung während einer Belichtung verändert; das Wesentliche dabei ist, dass das Motiv einmal scharf und einmal unscharf aufgenommen wird; es muss also für eine einzige Aufname einmal fokussiert und einmal defokussiert werden. Mir erschien die Fokusänderung in der Astrofotografie nicht geeignet, da der Lichtsaum, den die Sterne bei dieser Methode entwickeln, zu scharf begrenzt ist, was nicht den gewünschten Effekt bewirkt. Außerdem können durch das Verstellen der Fokuseinstellung Erschütterungen auftreten, wodurch sich die genaue Ausrichtung der Kamera verändern kann. So entschied ich mich nach mehreren Versuchen für den Einsatz eines Weichzeichners.

Also schaute ich mich nach geeigneten Filtern um. Die Weichzeichnungs-Filter Diffuser 1, 2 und 3 von COKIN waren im Angebot. Anfangs entschied ich mich für den Diffuser 3, den ich mit Hilfe eines Adaptersystems vor meinem Objektiv befestigen kann; doch jener ließ die Motive zu unscharf erscheinen, weil die linsenförmigen Verformungen auf der Oberfläche des Filters zu groß sind; sie lassen die Kontraste viel zu stark verwischen und trüben das Bild. Dies war also nichts Passendes. Nun kaufte ich die Weichzeichnungsfilter Diffuser 1 und 2. Die Versuche mit diesen Filtern zeigten beeindruckende Resultate. Die Sterne werden in ihren verschiedenen Helligkeiten und Farben wirklich hervorgehoben und verstärkt wiedergegeben. Beide Filter sind in ihren Eigenschaften ziemlich gleich. Doch der Diffuser 1 bewirkt etwas engere Säume um die Sterne herum als der Diffuser 2.

Besonders geeignet sind diese Filter in Verbindung mit einem Normalobjektiv. Sie sind aber auch mit guten Ergebnissen bei anderen Brennweiten einsetzbar. In einem Prospekt von COKIN „creative filter system“ wird erwähnt, dass die leichte Körnung des Weichzeichners große Lichter diffundiert, ohne der Deutlichkeit des Bildes bis zu einer Brennweite von ungefähr 135mm Abbruch zu tun. Wem es aber darauf ankommt, dass die Sterne gestochen scharf und möglichst fein bleiben, ohne ihr Licht zu streuen, für den ist solch ein Filter ungeeignet.

Die Firma COKIN stellt sehr viele interessante Filter her, die für die Verfremdung von Motiven eingesetzt werden können. Sie ist eine der bekanntesten Filteranbieter auf dem Gebiet der kreativ künstlerischen Fotografie. Anstatt dass diese Filter auf das Objektiv geschraubt werden, werden sie in einen genormten Adaptermechanismus eingeschoben, der an einem Adapterring am jeweiligen Objektiv drehbar befestigt wird. Dieses Befestigungssystem ermöglicht zudem eine erfolgreiche Kombination mehrerer Filter vor der Optik; in der künstlerischen Fotografie ist die gleichzeitige Anwendung verschiedener Filter nicht selten.

In der Astrofotografie ist das Weichzeichnungs-Filter besonders vorteilhaft zur besseren Darstellung der verschiedenen Helligkeiten der Sterne. Die Sterne werden entsprechend ihrer Größenklassen unterschiedlich groß abgebildet, wie in astronomischen Sternatlanten. Diese Weichzeichner sind also ideal, um die Hauptsterne der Sternbilder ausdrucksvoll hervorzuheben.

 

Update: Digital lassen sich die helleren Sterne auch nachträglich noch in ihrer Strahlkraft und Farbigkeit betonen. Mit den folgenden Photoshop-Aktionen wird jetzt jeder ambitionierte Astrofotograf zum Picasso der Sterne: www.astrophoto.de/lsa/Index.html